Neubau nach der Flut: Kläranlage soll nahe Kripp entstehen
Der Standort für die neue Kläranlage des Abwasserzweckverbands Untere Ahr ist gefunden. Nur wenige Hundert Meter von der bisherigen Stelle entfernt soll bis zum Jahr 2030 der Neubau auf einer höher gelegenen Fläche näher am Remagener Ortsteil Kripp entstehen. Dieser Standort sei alternativlos, alles andere noch verhandelbar, hieß es auf einer Einwohnversammlung am Dienstagabend in Remagen.
Sogar ministerieller Besuch aus Mainz war zur Versammlung gekommen: Katrin Eder, Ministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie und Mobilität, unterstrich die Bedeutung des Projekts im Rahmen des Wiederaufbaus an der Ahr. Denn die bestehende Kläranlage war in der Flutnacht schwer beschädigt worden – ein Problem, ist sie doch für die Abwasserreinigung eines großen Teils des Ahrkreises zuständig. Die Städte Bad Neuenahr-Ahrweiler, Remagen und Sinzig sind ebenso angeschlossen wie die Verbandsgemeinde Bad Breisig, Teile der Verbandsgemeinde Altenahr und der Gemeinde Grafschaft.
Wo die neue Kläranlage hin soll
Knapp 100 Zuhörer, viele von ihnen aus Kripp, wollten bei der Versammlung nun aus erster Hand wissen, was da in der Nachbarschaft geplant ist. Eingeladen hatte Remagens Bürgermeister Björn Ingendahl, der in Personalunion auch Vorsitzender des Abwasserzweckverbandes ist. Er erläuterte, dass es zu dem jetzt vorgesehenen Standort nahe dem Hochverteilerkreisel an der B9, nördlich der Zufahrt nach Kripp (B266) keine Alternative gibt: Die Fläche liegt etwa sieben Meter höher und gilt damit als hochwassersicher. Zudem sei sie nicht zu weit von der bisherigen Anlage entfernt, sodass ein Anschluss an die bisherigen Abwasserleitungen technisch gut machbar ist. Alle anderen Flächen in der Nähe seien ungeeignet, wie Gutachten ergeben hätten.
Und wenn man schon eine neue Anlage bauen müsse, dann auch nach dem neuesten Stand der Technik, so die Devise. Der technische Leiter Martin Hoffmann und der kaufmännische Leiter Bernd Lischwé skizzierten die bestehenden Planvorgaben: Ausgelegt werden soll der Neubau auf 174.000 sogenannte Einwohnereinheiten (bisher 115.000), pro Jahr sollen etwa 6,4 Millionen Kubikmeter Schmutzwasser gereinigt werden. Der Flächenbedarf wird mit 64.000 Quadratmetern angegeben.
Anlage erzeugt ihren Strom selbst
Dabei ist ein Feld für Fotovoltaikpaneele eingeplant, denn energetisch soll es eine „Null-Netto-Kläranlage“ werden, die ihren Energieverbrauch von geschätzten 4,1 Millionen Kilowattstunden pro Jahr selbst produziert. Zu etwa 80 Prozent soll der mit hocheffektiven Blockheizkraftwerken aus dem in den Faultürmen entstehenden Gasen produziert werden, den Rest soll die Fotovoltaik beisteuern.
Auch was die Reinigungsleistung angeht, ist an ein Vorzeigeprojekt gedacht: Eine vierte Klärstufe soll über die bisher übliche Abwasserreinigung hinaus noch Mikroschadstoffe, Mikroplastik und Keime aus dem Wasser ziehen. Geruchsbelästigungen möchte man durch geschlossene Systeme und Abluftbehandlungsanlagen auf das technisch maximal mögliche Maß reduzieren. Von einem „Leuchtturmprojekt“ sprach Ministerin Eder in diesem Zusammenhang.
Was die Kläranlage kosten soll
Die Gesamtkosten des Projekts werden derzeit mit gut 181 Millionen Euro angegeben. Diese Summe soll im Rahmen des Maßnahmenplans Wiederaufbau komplett vom Land und Bund finanziert werden. Darin enthalten sind allerdings auch noch die Kosten für die Schadensbeseitigungen und Kanalerneuerungen im Ahrtal. Die Kosten der Kläranlage allein werden mit 126 Millionen Euro angegeben. Die Gemeinden des Abwasserzweckverbandes beteiligen sich mit rund 36 Millionen Euro – diese Gelder waren schon vor dem Hochwasser für die Erweiterung der zu klein gewordenen bestehenden Kläranlage eingeplant.
Wer erwartet hatte, dass sich aus dem Publikum größerer Widerstand gegen das Neubauprojekt regt – immerhin rückt die Kläranlage nun auf wenige Hundert Meter an die „Lange Fuhr“, die jüngste Ortserweiterung von Kripp, mit vielen neuen Einfamilienhäusern heran – wurde überrascht: Ob man bedacht hätte, dass die von vielen Schülern als Radweg genutzte Feldwegverbindung Richtung Sinzig durch den Neubau unterbrochen würde, lautete eine der Fragen. Auch der Vorschlag, die Anlage noch durch eine Windkraftanlage zu ergänzen und so die Energiewende zu unterstützen, war dabei.
Kläranlage in der Frischluftschneise
Ein Zuschauer erinnerte dann aber doch an einen Gerichtsbeschluss aus den 80er-Jahren: Damals hatte die Stadt geplant, die gesamte Fläche zwischen Remagen und Kripp als Industriegebiet zu vermarkten. Nach Bürgerprotesten erging schließlich der Beschluss, dass eine Frischluftschneise von Bebauung freigehalten werden müsse, damit die kühle Luft der Eifel durch das Ahrtal weiterhin in das Rheintal hineinströmen kann. Tatsächlich sei das eine Herausforderungen für die folgende Planung, bestätigte Verbandsvorsitzender Ingendahl und verwies darauf, dass etwa die Faultürme der neuen Anlage mit 17 Metern Höhe niedriger als die jetzigen 25-Meter-Türme seien.
Zudem befinde man sich derzeit in einem absoluten Vorstadium der Planung. Bis auf den Standort sei man noch sehr offen für Veränderungen und Vorschläge. So lobte auch Ministerin Eder, dass der Verband bereits jetzt in die Öffentlichkeit gehe und sich so um ein möglichst transparentes Verfahren bemühe. Für Bürger, die Geruchsbelästigungen von der Kläranlage befürchten, könne man ja einen Besichtigungsausflug einer anderen modernen Kläranlage organisieren, so ihr Vorschlag. Da könne man sich mit der eigenen Nase davon überzeugen, dass Kläranlagen heutzutage kaum noch unangenehme Gerüche abgeben.